SIAG Industrie GmbH

Problemstellung

In der Euphorie der angekündigten Energiewende wurden hohe Investitionen in den Ausbau neuer Fertigungsstätten, für die Herstellung von Stahltürmen, für die Windenergiebranche vorgenommen. Aufgrund fehlender gesetzlicher Rahmenbedingungen kam es ab 2011 im Bereich der erneuerbaren Energien zu einer Krise mit erheblichen Überkapazitäten auf dem Markt.

Durch den drastischen Umsatzeinbruch und den Preisverfall verlor die SIAG ihre Kapitaldienstfähigkeit. Ebenso konnten Verpflichtungen aus der Mittelstandsanleihe nicht mehr bedient werden.

Für ein „Gesundschrumpfen“ fehlte das Geld. Dies veranlasste den Vorstand, im März 2012 die Sanierung mittels eines Insolvenzplanverfahrens in (vorläufiger) Eigenverwaltung einzuleiten. Neben der SIAG (Holding)  wurden auch die deutschen Konzerntöchter mittels eines (vorläufigen) eigenverwalteten Insolvenzverfahrens in den Sanierungsprozess einbezogen. Zum Zwecke der Sanierung über das gerade in Kraft getretene ESUG wurde RA Andrew Seidl, Dresden zum neuen Vorstandvorsitzenden der SIAG und Geschäftsführer der Tochtergesellschaften bestellt. Nach genau zwölf Monaten hat  die Gläubigerversammlung das Sanierungskonzept (Insolvenzplan) bestätigt. Im Hinblick auf die Auslandsbeteiligungen und die Komplexität des Gesamtverfahrens mit elf Tochtergesellschaften und ursprünglich rund 1.800 Arbeitnehmern ist dieser Fall ein Paradebeispiel einer ESUG-gestützten Sanierung nach neuem Recht.
 

Lösungsansatz

Oberstes Ziel war zunächst die Aufrechterhaltung der Produktion und damit der Lieferfähigkeit, um das Vertrauen der Kunden nicht zu verlieren.

Bereits wenige Tage nach dem Insolvenzantrag konnte das Vertrauen der finanzierenden Gläubigerbank gewonnen werden, die Massedarlehen in Form liquider Mittel in Millionenhöhe zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig wurden mit dem für die Sanierung festgelegten Projektteam, die notwendigen Analysen durchgeführt. Hierbei wurde im Zusammenarbeit mit den Führungskräften der SIAG das Augenmerk auf folgende Punkte gelenkt:

  • Analyse der inländischen und ausländischen Standorte
  • Analyse der Einspar- und Veränderungspotentiale
  • Analyse des Marktes (Zukunftsperspektiven)
  • Festlegung des Personalkonzeptes
  • Festlegung der neuen Gesellschaftsstruktur
  • Erarbeitung des Sanierungskonzeptes „SIAG Neu“

 

Ergebnis

Die aus den Analysen gewonnenen Erkenntnisse zeigten, dass eine nachhaltige Sanierung der Gesellschaft in Rekordzeit möglich ist. Aufgrund der Sonderrechte der InsO war es möglich, in sämtliche als „negativ“ definierten Vertragsverhältnisse einzugreifen, um diese kurzfristig aufzulösen bzw. den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen.

Das Sanierungskonzept wurde dabei frühzeitig und intensiv mit den wesentlichen Kunden, Lieferanten und Großgläubigern abgestimmt und fand breite Zustimmung.

Innerhalb weniger Wochen war es möglich, sich auf die Kernkompetenz des Unternehmens (die Produktion von Stahltürmen für den Onshore-Bereich) zu konzentrieren. Die unprofitablen ausländischen Tochtergesellschaften und der gesamte Offshore-Bereich wurden aus dem Unternehmensverbund ausgegliedert. Im Rahmen des Sanierungskonzeptes (Insolvenzplan) konnten folgende Maßnahmen realisiert werden:

  • Ausgliederung des „Offshore-Bereichs“
  • Beseitigung von Überkapazitäten im „Onshore-Bereich“ durch die Schließung eines der deutschen Werkes
  • Schließung und Ausgliederung von ausländischen Tochterunternehmen und Niederlassungen
  • Personalreduzierung von ursprünglich rund 1.800 auf 600 Arbeitnehmer bei gleichbleibendem Umsatz
  • Stabile Fortführung des Geschäftsbetriebes durch die Eigenverwaltung, keinerlei Irritationen bei den Kunden und kein Auftragsrückgang während der Insolvenz,
  • Reduzierung der Verbindlichkeiten um rund € 100 Mio.,
  • Quotenzahlung für die Anleihegläubiger zwischen 3% - 16%,
  • Sitzverlegung nach Sachsen,
  • Umwandlung der Aktiengesellschaft in eine GmbH,
  • Debt-to-Equity-Swap in Bezug auf Forderungen der finanzierenden Bank (d.h. Umwandlung von einem Teil der Bankkredite in Genussrechte).

Die Umsetzung all dieser Schritte innerhalb weniger Wochen wäre ohne das ESUG (das neue Insolvenzrecht) nicht möglich gewesen.

In der Gläubigerversammlung, die am 09. März 2013 stattfand, wurde der Insolvenzplan (das Sanierungskonzept) mit überwältigender Mehrheit der Gläubiger angenommen. Von sieben Gläubigergruppen stimmten sechs dem Insolvenzplan zu. Die fehlende Zustimmung der einen Gruppe wurde über das sog. Obstruktionsverbot durch das Insolvenzgericht ersetzt. Mit der Rechtskraft des Insolvenzplanes war die Arbeit des für die Sanierung beauftragten Spezialisten, RA Andrew Seidl, erledigt, der den „Staffelstab“ an seinen Nachfolger, Herrn Hermann Josef Taterra, übergeben hat.

Mit vollen Auftragsbüchern wird das Unternehmen in der neuen schlanken Gestalt weiterhin ein wesentlicher Player im Markt bleiben.