Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz?

Die Landesregierung hat durch zwei Allgemeinverfügungen vielen Unternehmen und Selbständigen ihre Existenzgrundlage vorläufig entzogen. Alle in der Allgemeinverfügung aufgezählten Geschäfte, Einzelhändler, Gastronomen etc. dürfen ihre Geschäftstätigkeit bis zum 20. April 2020 nicht mehr ausüben.

Die wirtschaftlichen Folgen für die Betroffenen sind katastrophal. Existenzgrundlagen, die über Jahre durch harte Arbeit und finanzielle Risiken aufgebaut wurden, wurden mit einem Federstrich des Gesetzgebers die Grundlage entzogen.

Wie es weitergehen soll weiß eigentlich keiner so genau. Für die Betroffenen ist es bereits 5 nach 12. Der Umsatz ist auf null Euro eingebrochen, die Betriebskosten laufen aber weiter. Wer haftet für die weiterlaufenden Betriebskosten (Mieten, Leasing, Finanzierungen etc.), fragen sich viele Betroffene mit denen ich gesprochen habe. Diese Frage ist zurzeit nicht abschließend beantwortbar.

Wenn die Landesregierung eine Maßnahme wie die Betriebsschließungen festlegt, so bedarf es hierzu einer Ermächtigung – eine Anspruchsgrundlage, wie wir Juristen dies nennen -. Die Anspruchsgrundlage leitet der Freistaat Sachsen aus dem Infektionsschutzgesetz (IfSG), genauer aus § 28 Abs. 1 IfSG ab.

Das IfSG sieht in den §§ 56, 65 IfSG entsprechende Entschädigungszahlungen des Staates vor, sofern der Betroffene Nachteile erleidet.

Interessant wird es für die von Betriebsschließungen Betroffenen durch die Regelung in § 56 Abs. 4, Satz 2 IfSG. Dort heißt es:

„… Selbständige, deren Betrieb oder Praxis während der Dauer einer Maßnahme ….ruht, erhalten neben der Entschädigung nach den Absätzen 2 und 3 auf Antrag von der zuständigen Behörde Ersatz der in dieser Zeit weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben in angemessenem Umfang.“

Super, könnte man jetzt denken. Mit dieser Regelung wäre fast allen Betroffenen unmittelbar geholfen, der Staat müsste für die laufenden Betriebskosten einstehen. Dies wäre auch eine sachgerechte Lösung. Immerhin werden die Betriebsschließungen aus übergeordneten Gründen des Gemeinwohls angeordnet. Deshalb ist es eigentlich selbstredend, dass der Steuerzahler für die Kosten einzustehen hat.

Jetzt kommt aber die Krux an der Sache. Die Entschädigungszahlungen in den §§ 56, 65 IfSG beziehen sich dem Wortlaut nach nur auf Einzelverfügungen des Staates. Befiehlt der Staat z.B. konkret der Bäckerei Müller, Meier, Schulze wegen Corona den Geschäftsbetrieb einzustellen, wäre dies eine Einzelverfügung, für die er auch die betroffene Bäckerei Müller, Meier, Schulze unstreitig nach § 56 Abs. 4, Satz 2 IfSG zu entschädigen hat.

Die vom Freistaat Sachsen erlassenen Verfügungen, mit denen die Betriebsschließungen angeordnet wurden, sind aber keine Einzel- sondern Allgemeinverfügungen.

Damit greifen die obigen Entschädigungsregelungen dem Wortlaut nach nicht ein.

Deshalb besteht eine rechtliche Unsicherheit, ob die Norm über ihren Wortlaut hinaus auch auf Betroffene einer Allgemeinverfügung anzuwenden ist.

Wir haben bereits einige Anträge auf Entschädigung für betroffene Unternehmer gestellt. Werden diese negativ beschieden, werden wir in einem Musterverfahren diese Rechtsfrage zu klären versuchen.

Mir ist die Haltung der Bundesregierung nicht nachvollziehbar. Sofern die Bundesregierung den Betroffenen der Betriebsschließungen helfen will, so hätte sie das IfSG durch einen einfachen Zusatz ändern können. Es hätte nur der Klarstellung bedurft, dass die Entschädigungsregelungen der §§ 56, 65 IfSG auch auf Allgemeinverfügungen Anwendung findet.

Dann hätte sie auch auf die komplizierten Hilfsprogramme verzichten können, die die betroffenen Unternehmen i.d.R. auch schlechter stellen. Bei den meisten Hilfsprogrammen werden den betroffenen Unternehmen Darlehen gewährt und Darlehen müssen (im Gegensatz zu einer Entschädigung) zurückgezahlt werden.

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